Erklärung einer Angeklagten legitime Prozessbeobachtung als Hausfriedensbruch am 2.2.2016

anlässlich der Gerichtsverhandlung über Christine Kosmols "Beleidigungs"Brief ans Jobcenter



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Prozesserklärung

Zum Anlass, warum ich am 16.02.2016 zu dem Gerichtstermin erschien.
Die schwerbehinderte, Lungenkranke und ehrenamtlich tätige Christine K.
war wegen angeblicher Beleidigung eines Jobcenter-Sachbearbeiters
angeklagt und hatte im Internet öffentlich um Prozessbeobachter gebeten.
Dem wollte ich folgen. So hörte ich später (nach dem Prozess) ihre
Darstellung: Trotz eingereichter Krankschreibung wurde sie mehrfach durch
ihren Sachbearbeiter sanktioniert, weil sie zu Terminen nicht erschienen war.
Am Ende hatte sie nur noch ca. 30 Euro zum Überleben. In ihrer Not machte
sie den Sachbearbeiter darauf aufmerksam, dass auch er vielleicht eines
Tages für seine Taten bestraft werden könnte. Als Beispiel für Täter im Auftrag
oder mit stillschweigender Billigung des Staates, die später strafrechtlich
verfolgt wurden nannte sie "Nazischergen"und "Mauerschützen". Dies wurde
ihr als Beleidigung ausgelegt. Das Jobcenter erstattete Anzeige. Es kam zum
Prozess - Christine K. wurde in Abwesenheit von Öffentlichkeit (weil diese
geräumt und nicht wiederhergestellt wurde) der Prozess gemacht und
verurteilt.
Dieses Urteil erweckt in mir den Eindruck einer Kriminalisierung mit dem Ziel,
ein Aufbegehren gegen die unmenschlichen Sanktionen der Jobcenter, deren
Verfassungsmäßigkeit noch nicht einmal geklärt ist, im Keim zu ersticken es
erscheint mir nicht gerecht, eine Beispielsnennung als Beleidigung
auszulegen. Frau Kosmol hat ja schließlich offenbar nicht geschrieben, dass
der Sachbearbeiter ein "Nazischerge" oder Mauerschütze" sei, sondern diese
nur als Beispiele herangezogen.
Meine Anklage lautet auf Hausfriedensbruch, weil ich trotz angeblich
ausgesprochenem Ausschluss der Öffentlichkeit den Gerichtssaal nicht
verlassen hätte. Neben mir sind, bzw. waren von dem Vorwurf des Haus-
friedensbruchs noch weitere Prozessbeobachter und - Beobachterinnen
betroffen. Als Anlass, den gesamten Gerichtssaal räumen zu lassen, nahm
das Gericht offenbar ein bis zwei Personen, die - gegen den Willen der
Angeklagten- den normalen Prozessverlauf störten.
Die Möglichkeit der Prozessbeobachtung durch die Öffentlichkeit ist aber
ein wichtiges, demokratisches Gut; 2 Personen sollten nicht zu einem
Ausschluss Aller führen können. Da kann ja theoretisch jeder kommen, der
ein Interesse an einem Geheimprozess hat und stören, - und schon wird die
gesamte Öffentlichkeit geräumt. Das darf nicht sein. Und das war auch
absolut gegen den dringenden Wunsch der Angeklagten nach Öffentlichkeit.

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Prozesserklärung

Warum gerade Prozesse in Zusammenhang mit Hartz-IV die
Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit dringend benötigen, und warum ich
mich für Prozesse dieser Art solidarisch interessiere;

Bis vor einiger Zeit konnten zumindest in der BRD auch Erwerbslose
einigermaßen würdevoll leben. Die Arbeitnehmerrechte, die Arbeiter und
Arbeiterinnen in jahrzehntelangen Kämpfen durchsetzten, machten uns dies
möglich.
Mit der Hartz-Gesetzgebung (die stark an die Arbeitsmarkt-Gesetzgebung der
1920ger-30ger Jahre erinnert ,Stichwort Pflichtarbeit, erfunden von Gustav
Hartz) hat die rot-grüne Regierung einen klaren Richtungswechsel eingeleitet
und den Erwerbslosen sowie allen Lohnabhängigen den Kampf erklärt. (siehe
dazu auch z.B.: Internet-Broschüre "Tatort Arbeitsmarkt" ). Mit Hilfe der
Berichterstattung der Medien und anderer Institutionen wurde unsere
Gesellschaft entsolidarisiert und die Erwerbslosen als unfähig, dumm oder
faul hingestellt. Die diffamierenden, menschenverachtenden Aussagen von
verschiedenen Politikern will ich hier nicht weiter wiederholen, außer einer:
"Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen" (SPD)
Auf den Jobcentern und durch Hartz IV werden Erwerbslose erniedrigt.
Sie werden auch entrechtet und damit auch alle Lohnabhängigen.
Ein kleines, noch harmlos wirkendes, aber tatsächlich schlimmes
Beispiel dafür, wie Menschen von nun an auf Jobcentern behandelt
wurden;
Eine Frau kommt weinend aus dem Zimmer ihres Sachbearbeiters und
erzählt, dass dieser zuvor, ohne sie zu fragen, ihren ALG-II-Antrag ausgefüllt
hat. Er hat etwas angekreuzt, was nicht der Wahrheit entspricht. Die Frau
möchte, dass er das ändert, doch er sagt darauf nur: "wenn sie das nicht
unterschreiben, bekommen sie kein Geld". - Ist das Amtsmissbrauch?
Machtmissbrauch, Nötigung? Ich weiß es nicht, aber es ist unrecht, demüt-
igend und entwürdigend und steht seitdem für mich symbolhaft für die
gesamte Hartz-IV- Gesetzgebung und ihre Umsetzung durch die
Sachbearbeitenden.
Viele Menschen, die ich während meiner früheren Erwerbslosenarbeit
gesprochen habe fühlen sich in Bezug auf die Jobcenter und Hartz-IV an
den Faschismus oder vorfaschistische Zeit erinnert. Auch ich habe Sorge vor
einem neu aufkeimenden Faschismus. Das Tabu, die Nazizeit in
Zusammenhang mit Ungerechtigkeiten, würdeloser Behandlung oder
Existenzbedrohung zu nennen ist eine gefährliche Sache. Wehret den
Anfängen heißt es. Aber wie diesen wehren, wenn man seine Gedanken,
Ängste und Empfindungen nicht aussprechen darf? Wenn man Nazis nicht
einmal als Beispiel für später verfolgte Täter nennen darf? Man verpasst den
ALG II-EmpfängerInnen einen Maulkorb.


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Prozesserklärung

"Nazischergen" z.B., sind neben dem schrecklichen Massenmord den Sie
begangen haben eben auch naheliegende, weil in unserem Bewusstsein tief
eingegrabene Beispiele und Sinnbilder für Unmenschlichkeit, Missbrauch von
Staatsmacht, Entrechtung, Willkür, Nötigung und natürlich für existentielle
Bedrohung durch Handlungen des Staates sowie auch Beispiele für eine
spätere strafrechtliche Verfolgung der Täter (wenn auch nur wenige).
Es gibt viele, nachweislich zu unrecht verhängte Sanktionen, das Geld
fehlt den betroffenen Erwerbslosen erstmal auf jeden Fall, ihre Existenz ist
bedroht, auch wenn die Rechtmäßigkeit der Kürzung nach dem SGB und
auch nach dem GG noch gar nicht geklärt ist und angefochten wird, da die
frühere aufschiebende Wirkung bei einer Klage im Sozialrecht unter Hartz-IV
abgeschafft wurde.
In Gotha hat endlich ein Richter Sanktionen im SGB als grundgesetzwidrig
eingestuft, das Verfassungsgericht bestätigte bis zu dem Zeitpunkt, an dem
ich dies las, immerhin, dass die Richtervorlage gewichtige Fragen aufwirft.
Das Gothaer Sozialgericht arbeitet weiter daran (Stand 2017).

(Siehe: http://www.mdr.de/thueringen/sozialgericht-gotha-bundesverfassungsgericht-hartziv-100.html oder: https://sanktionsfrei.de/sozialgericht-gotha/ )

Wer es genau wissen will, kann auf dejure.org den Vorlagebeschluss S 15
AS 5157 14 u.mehr einsehen.
Normales Bürgerrecht, die Vertragsfreiheit (Stichwort Eingliederungsver-
einbarung), musste von Betroffenen - unter Sanktionen - gerichtlich zurück
erstritten werden. Die Sanktionen wenn man nicht unterschrieb, wurden
schließlich als grundgesetzwidrig erklärt und wieder abgeschafft. Andere
Rechte zurückzuerstreiten und bestehende Rechte zu schützen steht an (das
Recht auf die Achtung der Menschenwürde, auf die Unversehrtheit von Geist
und Körper, Streikrecht, Arbeitnehmerrechte, Recht auf Lohn, Schutz vor
Zwangsarbeit, es ist ein dauernder Abwehrkampf, dem wir ausgesetzt sind).
Zu möglicher Kriminalisierung von Protest oder auch nur der Solidarität
mit Protest:

Neben mir sind weitere Prozessbeobachter_innen des Hausfriedensbruchs
beschuldigt worden. Sämtliche anwesenden Zuschauer_Innen, darunter auch
ich, wurden von der Staatsanwältin M. in einem Aktenvermerk als "Anhänger
der Reichsbürgerbewegung" bezeichnet.
In mir entsteht durch all das der Eindruck, dass Protest und sogar nur
das solidarische Interesse an einem Prozess - unter Nutzung eines
Anlasses wie der 1-2 den normalen Prozessverlauf störenden Personen-
kriminalisiert wird. Vielleicht liegt hier aber auch nur ein einziges großes
Missverständnis vor und es kann in diesem Prozess aufgelöst werden....

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Prozesserklärung

Aufgrund des Aktenvermerks der StAin M., es handele sich bei dem
zum Prozess erschienen Unterstützerkreis von 20-25 Personen
durchweg um Anhänger der Reichsbürgerbewegung informierte ich
mich im Internet über "Reichsbürger" und fand dort eine Pressemittleilung
des Ministeriums des Inneren des Landes Brandenburgs (Nr. 033/2012) mit
einer Verhaltensempfehlung für Behördenmitarbeiter, nach der gegen
"Reichsbürger" mit Härte vorgegangen werden soll: Zitat: "Bei Vergehen von
Reichsbürgern sollten staatliche Stellen schnell und konsequent
handeln........" Die Verhaltensempfehlung unterstreicht nochmal, dass die in
diesem Zusammenhang Angeklagten Zuschauer und Zuschauerinnen
aufgrund der Behauptung, sie seien Anhänger dieser Bewegung aller
Wahrscheinlichkeit nach besonders hart beurteilt wurden und nun
strafrechtlich verfolgt werden und wurden.
Es stellt sich außerdem die Frage, ob eine Zuordnung zu "Reichsbürgern",
die grundsätzlich als politisch rechtsextrem asoziiert wird, von staatlichen
Kräften nicht nur dafür genutzt werden könnte, um zu kriminalisieren sondern
auch gezielt eingesetzt werden könnte, um den Versuch zu unternehmen,
Protest zu spalten, zu entsolidarisieren und einzuschüchtern, denn der
"Reichsbürger"- Vorwurf erzeugt automatisch Angst. Angst vor dadurch
entstehender staatlicher Verfolgung ebenso wie Angst aufgrund eines
solchen Rufmordes von anderen ausgegrenzt zu werden....
Das Gericht scheint aufgrund des störenden Verhaltens von 1-2
Personen alle anderen Zuschauer durch diese - ich nenne es "Reichsbürger-
Brille" betrachtet und beurteilt zu haben. Anscheinend aufgrund des den
normalen Prozessverlauf störenden Verhaltens von 2 Personen, auf die
gesamten Zuschauer und Zuschauerinnen zu schließen und sie zu
Anhängern der sogenannten Reichsbürgerbewegung zu machen, das
empfinde ich wirklich als Rufmord und ist rechtlich sowie menschlich für mich
nicht nachvollziehbar.!
Ich teile die den in entsprechenden Handbüchern "Reichsbürger"
genannten Personen eigene Überzeugung nicht , das deutsche Reich
existiere noch oder die BRD sei aus anderen Gründen nicht rechtsgültig
existent und das jetzige Rechtssystem habe keine Gültigkeit. Ich teile auch
nicht andere Überzeugungen sogenannter Selbstverwalter, die der
Reichsbürgerbewegung zugeordnet werden.
Faschismus - und Rechtsextremismus, der sogenannten "Reichsbürgern"
und "Selbstverwaltern" anlastet sowie anscheinend einigen den
Reichsbürgern zugeordneten Personen auch nur angelastet wird *,
verabscheue und bekämpfe ich, auch Kaiser- oder Königreiche verachte ich.
Gleichberechtigung sowie die Achtung der menschlichen Würde und des
Lebens aller Menschen aber wünsche ich mir mehr, als offenbar zur Zeit von
den Machtinhabern und vielen anderen Personen gewollt.

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Prozesserklärung

Aufgrund des Aktenvermerks der StAin M., es handele sich bei dem
zum Prozess erschienen Unterstützerkreis von 20-25 Personen (und
damit auch mir) durchweg um Anhänger der Reichsbürgerbewegung
fühle ich mich vorverurteilt, verleumdet und verunglimpft und fordere
die Staatsanwaltschaft dazu auf, diese Behauptung zurückzunehmen
und aus meiner Akte zu streichen. Ich fordere die Staatsanwaltschaft
auch auf, anderen möglicherweise darüber benachrichtigten
Institutionen die Streichung dieses Vermerks anzuordnen.
* Ich stieß bei meiner Recherche über "Reichsbürger" z.B. auf eine Beschreibung von Personen, die anscheinend für die von ihnen angenommene Rechtsungültigkeit der BRD nicht etwa ein noch existierendes 3. Reich als Begründung sehen, sondern eine Veränderung im Rechtssystem der BRD, die ihrer Ansicht nach in den 90er Jahren stattgefunden haben soll. Trotzdem werden sie offenbar den Reichsbürgern und damit Rechtsextremen zugeordnet. Warum diese Personen den
Reichsbürgern, die sich ja wohl ursprünglich aufs 3. Reich bezogen und es wieder haben wollten, zugeordnet werden, habe ich nicht verstanden.
Auf einer Seite des Verfassungsschutzes(ich glaube, es war der Bayrische) unter dem Oberpunkt Rechtsextremismus werden in einem Zug "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" genannt.
"Selbstverwalter" werden offenbar der Scene der "Reichsbürger" zugeordnet. Gleichzeitig sagt der Verfassungsschutz, nur ein Teil dieser Gruppe zugeordneten Personen sei rechtsextrem. Auch hier ist mir nicht klar geworden, warum diese dann den Reichsbürgern und damit den Rechtsextremen zugeordnet werden.


Nachtrag, nicht auf Prozess verlesen, aber auf Prozess erwähnt, dass sie sich
antifaschistisch gezeigt hat: Ich frage mich: Wie kommt die Staatsanwältin darauf,
die Frau, die störte sei Anhängerin der Reichsbürgerbewegung und damit
rechtsextrem?
Sie hat nach einem Amtsausweis der Richterin gefragt. Was ist daran rechtsextrem?
Sie hat sich als Antifaschistin gezeigt, in dem sie forderte, dass alle Faschisten
bestraft werden müssen. Sie soll andere Themen angeschnitten haben, ich selbst
habe es nicht gehört, die diskussionswürdig sind: So Chemotherapie und
sogenannte Chemtrails. Chemtrails sind, wenn ich richtig verstehe, die von einigen
Leuten jetzt schon vermutete Auswirkung einer Technik des Geoengeenerings, wie
sie vom Bundesamt für Umwelt und anderen diskutiert wird. Das Bundesamt für
Umwelt und Politiker betonen die Gefahr, nichts dagegen tun zu können, sollte sich
ein Staat oder Konzern einfallen lassen, diese Techniken einfach anzuwenden,
gegen den Willen anderer, weil es weltweit dazu noch keine Gesetze gibt.....
Diese Themen sind diskussionswürdig und haben mit rechtsextrem nichts zu tun.
Genausowenig wie mit linksextrem, Mitte oder sonst was.
Sie waren aber am Gericht, zumindest zu diesem Zeitpunkt, völlig fehl am Platz.
Die für mich anstrengende und ignorante Art und Weise ihres Vortrags führte eher
dazu, dass alle (also, ich zumindest) von ihr genervt waren, als dass sie jemanden
mit ihren Themen interessiert hätte, was für sie selber schade ist, und auch für die
wichtige Diskussion dieser Themen.
Und vor allem hat sie ignoriert, dass keiner sie hören wollte (ich vermute zumindest, dass zu diesem Zeitpunkt ausnahmslos alle lieber dem Prozess von Christine K. gefolgt wären, ich jedenfalls wartete darauf, dass dieser Vortrag endlich ein Ende nimmt.) So kann man niemanden überzeugen.

S.B.

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