Diese Rede wurde mir soeben von der Aktivistin Silke Buchholz aus Hamburg zugeschickt:
Zum 01.2019 in Kraft getretenen Teilhabechancengesetz und Hartz IV im Allgemeinen - verpasste 1. Mai-Rede
Mit
dem Teilhabechancengesetz verspricht die
SPD eine Besserung für Arbeitnehmer, genauer: für Hartz
IV-Betroffene.
Doch
die SPD spricht die verlogene Sprache der Verschleierung, indem sie
die Parolen von Hartz IV-Gegnern für sich vereinnahmt (Hartz IV muss
weg/Grundeinkommen), und unter dem Deckmantel schöner Worte zusammen
mit der CDU die eigentlichen Forderungen von Hartz IV-Gegnern
zunichte macht, um nur um so härter gegen Arbeitnehmer vorzugehen,
sie weiter zu entrechten und die Taschen der Arbeitgeber weiter zu
füllen.
Schon
in den Entwürfen der Hartz-Gesetze war es angedacht, 1€-Jobber in
der freien Wirtschaft, am ersten Arbeitsmarkt einzusetzen.
Das
ist offene Sklaverei!
Mit
dem Teilhabechancengesetz kommt die SPD dem sehr nahe. Sie nennen es
nur anders. Denn was ist ein durch Steuergelder zu 100% geförderter
Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt, ohne Zahlung von
Arbeitslosenversicherung anderes, als ein 1€-Job in der freien
Wirtschaft?!
Vergleicht
man, was ein Arbeitnehmer in Steuerklasse 1 bei Mindestlohn und einer
35 Stundenwoche Netto in der Tasche hat kommt man auf fast die
gleiche Summe wie bei einem Ein-Euro-Jobber, der für Miete und
Wasser 500 Euro monatlich zu zahlen hätte und einen
Mehrbedarfszuschlag von 150 Euro erhält.
Viele
Medien und Politiker tun begeistert: Der Job sei sozialversicherungspflichtig. Was nur im Kleingedruckten zu finden
ist: Es soll keine Arbeitslosenversicherung gezahlt werden- um
den „Anreiz“, nach 5 Jahren geförderter Arbeit, wieder
erwerbslos zu werden, zu verhindern.
Das
ist zynisch, menschenverachtend und grundgesetzwidrig!
In
beiden Fällen (dem Ein-Euro-Jobber und dem Arbeitnehmer nach dem
Teilhabechancengesetz) wird der Arbeitgeber zu 100% von seinen
Lohnkosten befreit, ist der Arbeitnehmer entrechtet, nicht
Arbeitslosenversichert, soll vom Jobcenter zwangsbetreut werden, noch
während er schon in Arbeit ist. Was ist das für ein Menschenbild?!
Es reicht! Das ist offene Demütigung und Zwangsarbeit!
Sie
nennen es eine „Chance für Langzeitarbeitslose“ ich nenne es
eine Chance für Arbeitgeber noch reicher zu werden, und in der
Entrechtungs-Agenda gegen die Arbeitnehmer einen Schritt weiter zu
kommen. Missbrauch der Fördergelder für Erwerbslose durch freie
Wirtschaftsbetriebe, die sich sogar noch den Lohn für einen
Arbeitnehmer durch die Steuerzahler zahlen lassen wollen.
Sozialstaatsabbau.
Es
ist schon bemerkenswert: Erwerbslose wurden schnell mal von der SPD
und Anderen Schmarotzer genannt. Bei Arbeitgebern, die sich auch
noch die Lohnkosten von uns finanzieren lassen, schreit niemand auf.
Wer ist hier der wahre Schmarotzer?
Im
Hintergrund arbeitet das IFO-Institut offenbar schon daran,
Erwerbslose noch weiter in die Armut zu treiben. IFO rät dazu, den
Ärmsten nicht einmal mehr ein Recht auf den bisher erlaubten kleinen
Zuverdienst zu geben.
………………….
Mit
Einführung der Hartz-Gesetze wurde durch Medien und Politiker gegen
den Teil der Arbeitnehmer gehetzt, die gerade von ALG II abhängig
waren. Mit Erfolg-und-leider auch bis in die linke Scene
hinein. Teile und Herrsche. Statt einer Solidarisierung der
erwerbstätigen Arbeitnehmer mit den erwerbslosen Arbeitnehmern, gab
es eine Entsolidarisierung, Stigmatisierung und Ausgrenzung(auch
durch das wenige Geld) von Erwerbslosen, das ist die
eigentliche Härte, die Erwerbslose hier erfahren..
Die
Zeichen stehen auf Krieg.
Krieg
gegen die Arbeitenehmer nach Innen, wie auch Krieg nach außen.
Spätestens
seit den Hartz-Gesetzen wurde auch mir das klar..
Das
zeigte auch die auf Hartz folgende, von der Regierung initierte
„Du-Bist-Deutschland"-kampagne mit der den Menschen gesagt wurde:
wenn du, Arbeiter, kein ordentliches Geld mehr verdienst oder in
Hartz IV landest, gedemütigt und entrechtet, wir geben dir die
Identität des stolzen Deutschen, der das Land durch ehrenamtliche
Arbeit und Lohnverzicht voranbringt.
(Der
nur leicht andere Slogan „Denn du bist Deutschland“ wurde
früher mal von Hitler-Anhängern benutzt.)
Auch
die Deutschlandfahnen, die irgendwann zur WM durch die Industrie
plötzlich in Massen auf den Markt geschwemmt wurden, gehören in
diese Entwicklung- Sie waren ein Bruch des bis dahin für viele
geltenden Tabus des Nationalstolzes, der immer mit Kriegsgefahr
und -bereitschaft verbunden wurde...
Die
Härten der Hartz-Gesetze sollten durch den neuen Deutschlandstolz
und die Kampagne abgefedert werden. Der neue Nationalismus und der
Hass gegen Migranten/Asylanten wurde regelrecht herangezüchtet.
Die
letzten Jahre hat die offene Hetze gegen Erwerbslose abgenommen. Mit
Verschleierungstaktiken (schöne Worte, Vereinnahmung der Slogans des
Widerstands) der tatsächlichen Politik gegen Arbeitnehmer durch die
SPD vereint mit der CDU und der nun wieder ganz offenen und
allgemeinen Stimmungsmache gegen Flüchtlinge und Migranten wird vom
eigentlichen Thema, dem auch in Deutschland verschärft
entbrannten Klassenkampf, abgelenkt und ein neuer Sündenbock
geschaffen, an dem sich nun die Wut vieler Menschen entlädt, die
sich davon haben beeindrucken lassen.
Verdeckt
und fast unbemerkt, werden währenddessen (erwerbslose)Arbeitnehmer
immer weiter entrechtet und das Erwerbslosengeld immer weiter
zusammengestrichen.
Lassen
wir uns das nicht weiter gefallen! Lassen wir uns nicht spalten!
Selbst
in Deutschland zeigt der Kapitalismus immer deutlicher sein
hässliches Gesicht.. Dem Land, wo bisher Arbeitnehmer noch gewisse,
durch Arbeiter einmal schwer erkämpfte Rechte hatten und Menschen
aus Kriegs- oder Armutsgebieten Zuflucht und ein besseres Leben
finden konnten.
Streiten
wir Seite an Seite mit Migranten und Flüchtlingen gegen Kriege,
gegen das kapitalistische System, gegen Hartz IV oder wie immer die
SPD die zunehmende Enrechtung von Arbeitnehmern und Lohndumping in
Zukunft nennen möchte, gegen die menschenunwürdige Behandlung von
Flüchtlingen, Hartz IV-Betroffenen, Obdachlosen und Migranten, und
gegen die immer weiter aufweichenden Arbeitnehmerrechte und Löhne.
Lassen
wir uns nicht länger entwürdigen, knechten und spalten. Holen wir
uns unsere Würde und Eigenmacht zurück!
-Silke Buchholz
Hans-Werner Sinn (ehemaliger ifo-Präsident und Berater bei den Hartz-Reformen): "Jeder will arbeiten, es gibt aber nicht genug Arbeit. Und warum gibt es nicht genug Arbeit? Weil der Lohn zu hoch ist."
AntwortenLöschen„Der Clown bin nicht ich, sondern diese monströs zynische und unbewusst naive Gesellschaft, die eine ernste Miene aufsetzt, um ihren Wahnsinn zu verbergen.“ (Salvador Dalí)
Teilhabechancen-Gesetz: Der mühsame Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit
AntwortenLöschenLangzeitarbeitslose fit für den ersten Arbeitsmarkt zu machen – das ist das Ziel des neuen Teilhabechancen-Gesetzes. Vier Milliarden Euro (4.000.000.000 €) hat die Bundesregierung investiert, 150.000 Stellen wurden so geschaffen. Kritiker bezweifeln jedoch, dass das Programm die gewünschte Wirkung zeigt. […] Die neuen Regeln richten sich an alle Unternehmen, die Langzeitarbeitslose beschäftigen wollen. In den ersten beiden Jahren ersetzt der Staat dem Unternehmen die Lohnkosten zu 100 Prozent. Dabei wird der Mindestlohn vorausgesetzt. In den Folgejahren verringert sich der Zuschuss um jeweils 10 Prozent. Am Ende der maximal fünf jährigen Förderperiode werden demnach immer noch 70 Prozent der Lohnkosten ersetzt. Wenn der Lohn etwa durch ortsübliche Tariflöhne höher ist, wird auch das erstattet – dies war eine Forderung der Gewerkschaften. […] Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/teilhabechancen-gesetz-der-muehsame-kampf-gegen.724.de.html?dram:article_id=437391
Inge Hannemann:"Was mich nervt: Das Framing über sog. "Wohltaten", wenn ArbeitgeberInnen via voller Lohnförderung über Jobcenter, Arbeitsagentur plötzlich Arbeitsstellen haben, die zuvor scheinbar nicht möglich waren. Es ist keine Wohltat, es ist das gierige Abgreifen von staatlichen Leistungen."
https://twitter.com/IngeHannemann/status/1111534626600833024
Mich erreichte kürzlich eine Zuschrift, in der einem 6Jahre lang Erwerbslosen die Pistole auf die Brust gedrückt wurde: er soll sich noch eine gewisse Zeit "selber" bewerben und wenn das "keinen Erfolg bringt" (auf einen normalen Job), dann soll er zwangsweise mit einem Coach an der Seite einem Arbeitgeber zugeführt werden, um beobachtet "integriert" zu werden.
AntwortenLöschenDas ist meiner Einschätzung nach beaufsichtigte Versklavung mit Stellenschaffung für die Aufpasser und Subvention eines Arbeitgebers mit der erzwungenen kostenlosen Arbeitskraft (zu Lasten des Steuerzahlers) und zugleich eine Wettbewerbsverzerrung!
Also auch eine völlig andere Auslegung des "Teilhabechancengesetzes", welches nach Aussage einiger "Jobmessen"-Veranstalter (der Arbeitgeberservice und Handwerkskammern) nur den Arbeitslosen selber einen Vorteil (ich ergänze auch hier "Wettbewerbsvorteil!!!) geben soll, überhaupt an einen Job zu kommen, den ER sich ausgesucht hat. Der Langzeitarbeitslose soll demnach selber beantragen (wie bei einem freiwilligen Gründungsvorhaben), bei seinem von IHM SELBER ausgewählten Arbeitgeber "gefördert" zu arbeiten.
Im Gespräch mit einer Jobcentermitarbeiterin erfuhr ich sinngemäß sogar Folgendes, was sie völlig in Ordnung fand:
Wenn Hans die betriebliche Idee von Franz gut findet, schreibt Franz ne Stelle aus, Hans sagt dem Jobcenter, dass er da bei Franz arbeiten will und dann bezahlt das Jobcenter den Lohn für Hans.
Wenn Franz sich die Arbeit von Hans nicht mehr leisten kann nach dem Rückbau der Zuschüsse (oder das auch nie zuvor gekonnt hat, die Stelle also nur durch Jobcenterzahlungen möglich war), kann er ihn ganz legal betriebsbedingt wieder entlassen ohne dass er sich einer Verfolgung (wegen Wirtschaftskriminalität etc. pp.) aussetzt und ohne dass Hans eine Sanktion bekommt.
Nun - andere Jobcenter- und Maßnahmemitarbeiter, mit denen ich im Rahmen von "Bewerbungsmessen" sprach, waren da zurückhaltender. Gerade was "extra für die Situation der Zuschüsse geschaffene Stellen" anginge.
Sie meinten: "wir sind gerade in der Testphase, sicher wird da vieles sich erst durch die ersten Rechtsstreite klären..."
Sie bestätigten aber allesamt den grundsätzlich freiwilligen Charakter - wer sich seinen Job nicht fördern lässt, wird höchtens mit den üblichen Mitteln weiter bedrängt, sich zu bewerben oder Maßnahmen zu machen - doch ebenso wie keiner gezwungen werden kann, sich selbständig zu machen, kann auch keiner gezwungen werden, ein Förderprogramm zur finanziellen Entlastung von Firmen (resp. MARKTEINGRIFFE!) mitzumachen... der Fokus läge auf der Integration des "Arbeitslosen" und nicht auf der Stärkung einer Firma - weswegen der Arbeitslose die freie Wahl hätte, sich seinen geförderten Arbeitgeber auszusuchen...
nun, das klang fast zu schön, um wahr zu sein... denn wäre es so einfach, stellt Euch das mal vor! Wir alle gründen für unsere FREUNDE Firmen, in denen diese "sich selber verwirklichen" oder schreiben Stellen speziell für andere Aktivisten aus, die wir auf normale Weise niemals "freigekauft" bekämen. Dadurch, dass deren ansonsten im Privaten oder der Freiwilligkeit "ungern gesehene" Mitarbeit plötzlich zu einem fördernswerten Job wird, haben die Ruhe vor anderer Zwangsvermittlung und bauen ggf. hobbyhafte Ideen zu laufenden kommerziellen Erfolgen um. Es könnten nun unzählige "Selbstverwirklichungs-", "freiwillige Therapie durch Machen-", "Rettungsjobs" entstehen (z.B. auch in der Beratung und Begleitung von Arbeitslosen, als kostenlose RA-gehilfen in politischen Hartz-Grundsatz-Klageverfahren)... wenn diese Gesetze eben wirklich so auslegbar sind, wie manche Jobcentermitarbeiter berichten...
Kurz und gut: welcheR (ausbeutungskritische, kreative und irgendwie bereits engagierte) Langzeitarbeitslose würde sich unter dieser eben genannten positiven Auslegung des "Teilhabechancengesetztes" FREIWILLIG eine Zeitarbeitsfirma oder eine Stärkung bestehender Kapitalisierungskultur aussuchen und ginge nicht lieber zu Freunden oder Initiativen, die er auch freiwillig unterstützen würde? Das könnte basisdemokratische Firmen und syndikalistische Ansätze oder freie Kooperativen stärken, genau wie NGOs oder Start-Ups, die sich keine Angestellten "leisten" können und denen die Ehrenamtler weglaufen, sobald das Jobcenter diese bedrängelt, sich bezahlte Jobs zu suchen...
AntwortenLöschenIch muss dennoch raten, das alles in jedem Fall rechtlich (am besten schon vorab) prüfen zu lassen - denn dass dem GEIST nach eher bestehende Ausbeutungsstrukturen und Verwertungsketten (inkl. der Armuts(Betreuungs)industrie mit den typischen Machtgefällen und Geber-Nehmer-Strukturen) fortgeführt werden sollen, ist zu erwarten. Aber vielleicht bietet dieses komische Gesetz nicht nur die Chance auf Gegenwehr-Musterklagen für die Freiheit des Individuums, sondern auch für die Abwicklung bestehender Herrschaftsstrukturen durch deren eigenes Werkzeug (und vielleicht wird das von manchen Jobcentermitarbeitenden auch gezielt so unterstützt!)...
Wenn einem Jobcentermitarbeiter nur wichtig ist: Erwerbsloser ist in einem zugelassenen Programm untergebracht - Statistik erfüllt - könnten diese Jobcentermitarbeiter eben selber genau dazu anregen, dass findige Köpfe sich durch diese Gesetzeslage "in ihren freibestimmten Schaffensprozess" freikaufen... ;-)
... und mit BGE würde das alles automatisch passieren - weil JEDEr mit seiner Arbeitskraft das unterstützen kann ohne um Erlaubnis zu fragen, was sie/er will: den eigenen Geldbeutel durch effektive Selbstvermarktung, die eigenen Ideen oder die eigene Zufriedenheit mit oder ohne Geld, die Ideen anderer, von denen mensch überzeugt ist (mit mehr, weniger, viel oder gar keinem Geld)...
LöschenDAS bedingungslose Grundeinkommen wäre das BESTE Teilhabechancengesetz für alle und würde vor allem nicht die Spur einer "sanktionsunterlegten Bedrängelung" übrig lassen.