Samstag, 21. Januar 2023

In geldträchtigen Bereichen wie dem Erbrecht haben arme Personen nichts zu suchen?

Vor Monaten erhielt ich eine Zuschrift bzgl. leichtfertig tatsachenschaffend unterstellter Annahmen eines Jobcenters wegen bereits angerechneter obgleich noch gar nicht durchgesetzter Erbansprüche einer ALG-II-Betroffenen, die ich hier auf dem Blog veröffentlichte:

https://gerichtsverfahrenundklageprozesse.blogspot.com/2022/06/bemuhungen-um-den-erhalt-des-erbes-als.html

Nun teilt mir ein weiterer ebenfalls vom Thema "Erbrecht" betroffener Mensch (der zudem wegen Erwerbsunfähigkeit am Existenzminimum steht) Nachfolgendes zur Veröffentlichung mit. Ein angefragter Anwalt reagierte mit derb klassistischer Absage (hervorgehoben in blauer Schrift).

Zitat mit freundlicher Genehmigung der von "Erbrechtsanwaltssuche auf PKH-Basis" betroffenen Person:


In geldträchtigen Bereichen wie dem Erbrecht haben arme Personen nichts zu suchen.

Vorliegend war, nachdem sich keine anwaltliche Vertretung auf Basis Beratungshilfeschein und Prozesskostenhilfe gefunden war, sich selbst ins Erbrecht eingearbeitet worden und auch das Prozesskostenhilfeverfahren geführt worden. Da nun PKH in Aussicht gestellt wurde, sollten AnwältInnen wegen einer Mandatsübernahme angefragt werden.

Der Fall ist insofern komplex und unerfreulich, als dass die Legislative seit Jahren unwillig ist, eine Lösung für das Problem, dass wiewohl der Pflichtteil grundrechtlich garantiert ist, dieser praktisch nicht zugestanden wird, wenn der Erbe das Geld vorher abgezogen hat, zu finden. Dies wird wiederkehrend von RechtsanwältInnen in den Fachzeitschriften beklagt,

Dennoch soll hier versucht werden, das Recht durchzusetzen und gfls. auch zu höchstrichterlichen Entscheidungen zu kommen, in der Hoffnung, dass sich zukünftig für die Enterbten etwas verbessert.

Somit wurden verschiedene AnwältInnen angefragt:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich suche eine Vertretung im Erbrecht auf PKH Basis. Ich führte das PKH Verfahren selbst und es wurde PKH für den einen oder anderen Antrag in Aussicht gestellt.

Bei Interesse:

a: Kurzfassung (siehe unten)

b: Langfassung (siehe Anhang)

c: Anträge (siehe Anhang)

Es steht noch eine Antwort meinerseits auf den letzten Gegnerschriftsatz an das Gericht aus, die ich gerade fertige.

Meine Vorstellungen an ein Mandat:

ich kenne die Sachlage gut, ich habe die Rechtslage recherchiert und bin in der Lage mir eine Meinung zu bilden, da ich idR in der rechtswissenschaftlichen Bibliothek seit Jahren lese, weil ich schon bei meiner Mutter Rechtsprobleme erbte, sodann eine seltene Erkrankung habe (Sozialrecht).

Ich kann PKH Anträge für Rechtsmittel selber stellen.

Ich nehme zu jedem Gegnervortrag Stellung, bereite also Sachlage für die Schriftsätze vor. Und habe meistens auch Vorschläge für den Rechtsvortrag. Konstruktive Kritik ist immer willkommen.

Ich gebe mein ok, bevor Schriftsätze rausgehen.

Ich habe eine seltene, systemische Krankheit, zuletzt musste ich 2 Mal um Fristverlängerung bitten, das kann also vorkommen.

Wichtig ist mir ein engagiertes Mandat, da ich erheblich Zeit und Energie in die Sach- und Rechtsrecherche gesteckt habe.
 


Darauf antwortete ein Anwalt wie folgt:

 

"Jeld hab ick keens. Ick such aba volles Engagjemang, weil die Sache iss ja supakomplex und icke bin schon imma unjerecht behandelt worden. Und wissen tu ick auch alles bessa als Sie, weil ick üba die Recherche für meen Fall über die bunte Welt des Rechts irjendwie  valorn jejangen bin. Ick hab hier `ne Tüte, ach wat `en komplettet Rejal, mit Untalagen, durch die/das Sie sich, Herr Anwalt, bitte mit meena Unterstützung bitte durchquälen. Hie und da iss aba noch ordentlich Recherche durch Sie erforderlich. Und meene Kommentierungen ham Se ooch zu noch berücksichtijen. Wortwörtlich bittesehr, den Ick bin ja Kunde.

Wahrscheinlich hab ick in der Sache schon den einen oder anderen Anwalt vor Ihnen vaschlissen.

Dat werd ick Ihnen aba nich uff de Nase binden. Jeht Sie janüscht an, Herr Anwalt."

Das ist so ziemlich das einzige, was ich verstanden habe, und was mich veranlasst, Ihre Mandatsanfrage in aller Form ABZULEHNEN.

Ich wollte nur offen sein und Ihnen schildern, wie Ihre Anfrage bei Berufsträgern rüberkommt.

Was Sie hier präsentieren, ist so ziemlich die Vollendung eines anwaltlichen Mandatsalptraums.

Voraussichtlich wird sich auf Ihre Anfrage niemand sonst bei Ihnen melden, geschweige denn sich in Ihren Strudel mit hinabziehen lassen.

Suchen Sie sich also bitte die passende Unterstützung. Sonst werden Sie Ihres Lebens nie mehr froh.

Bitte rufen Sie nicht an! Ich wünschhe Ihnen alles Gute.


Aus der Antwort lässt sich folgendes rückschliessen:

Es ist blöd, wenn sich Betroffene mangels Hilfe selber helfen.

Wer kein Geld hat, soll auch kein Recht haben.

Wer Probleme hat, ist selber schuld.

Die Bearbeitung komplexer Sachlagen kann vom Anwalt nicht gefordert werden, denn der Anwalt weiß auch ohne die Sachlage zu kennen, schon Bescheid. Es ist nicht notwendig, ihn mit Beweisen zu stören. Wer einen Anwalt beauftragt, hat anspruchslos zu zahlen.

Und natürlich darf der Anwalt unterstellen:
hier werden Anwälte verschlissen und in einen Strudel mithinabgerissen. Mandanten sind so ungebildet, dass der Anwalt, der extra einen Kurs in Berlinisch belegt hat, sie anberlinern darf.

Leider hat der Anwalt so gar keine Ahnung von modernen Kommunikationstheorien, sonst wüsste er, was beim Empfänger ankommt, das hat mit diesem selbst zu tun. (Und daher haben die angefragten RechtsanwältInnen auch unterschiedlich reagiert- richtig ist, dass im Erbrecht nicht gerne auf PKH Basis gearbeitet wird, weil dieses komplex ist.

Noch weniger Ahnung hat der Anwalt allerdings vom Sozialrecht, er weiß schon, dass Personen mit einer seltenen Krankheit, sich immer zu Unrecht behandelt fühlen. (Und dieses Gefühl ist eben ausschließlich subjektive Einbildung der Betroffenen, es basiert nicht auf realen Benachteiligungs- oder konkreten Diskriminierungserfahrungen...) Er weiß das einfach. Fachliche Dokumente des Ethikrats zu den erheblichen Problemen bei seltenen Erkrankungen im Gesundheitssystem sind ihm unbekannt. Es ist ja immer der Mandant der Schuld hat. Man soll seine Zeit nicht mit dem Lesen solch unnützer Dokumente verbringen. Daher sind die Institutionen, die regelmässig auf die Diskriminierung von Betroffenen hinweisen, auch obsolet. Nach Meinung des Anwalts. Auch obsolet sind nach Meinung des Anwalts, Betroffene, die ihr Recht durchsetzen. Wo kämen wir denn hin, wenn sich am Status Quo was ändern würde. Behinderte sollen einfach mal die Klappe halten, denn hier ist alles in Ordnung. Wie schön, dann braucht es auch keine Anwälte!"


-Zitat Ende-



3 Kommentare:

  1. "Suchen Sie sich also bitte die passende Unterstützung."

    Ja und WAS wäre denn da nun aus seiner Sicht die PASSENDE Unterstützung ???

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    1. Einen anderen ANWALT scheint der berlinernde Anwalt nicht gemeint zu haben... ja, das sind genau die Art von "Tipps", die eigentlich keine sind, sondern die nur heißen: "lass mich in Ruhe, geh mir aus dem Weg" - indirekt zwischen den Zeilen steht da in meiner Interpretation: "wegsperren in die Psychiatrie" oder abwertend etwas sanfter formuliert: "psychiatrische Hilfe suchen", damit man sein Anliegen sein lässt/es als spinnert oder irre erkennt... so sind solche "Tipps" meist gemeint.

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    2. Najaa. Er sacht ja: „Sonst werden Sie Ihres Lebens nie mehr froh.“
      Also er gesteht ihr/ihm (?) immerhin noch ein frohes Leben zu… !?!
      Und sozial/finanzielle Probleme psychiatrisch lösen wollen !?!?
      Sehr sehr schwierich !!
      Aber Du könntest mit dieser Interpretation vllt. schon richtig liegen - leider.
      Schönen Gruß von "Gustl Mollath" - würde ich dann mal sagen (evtl. Googeln) !

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