Freitag, 20. Mai 2022

Urteil der (nach Jahren vom JC widerrufenen) "Mundtot" Sanktion: "Klage abgewiesen"

 Hallo Mitmenschen

 v.a. jene mit besonderem Interesse an der Rechtmäßigkeit bestimmter Bewerbungsformulierungen dieser Art:

 

Leider konnte im Gerichtsprozess um meine sog. "Mundtot" Sanktion (30% Sanktion wegen "falscher Bewerbungsworte") nicht geklärt werden, ob das Sozialgericht Formulierungen im Stil von "auch ohne die expliziten Leistungskürzungsangebote meines Arbeitsvermittlers bewerbe ich mich..." für "sanktionswürdig" befindet oder eben gerade nicht. Eine fortgeführte Resozialisierung der (entsprechenden oder aller) Arbeitsvermittler*innen, selber umfänglich und zielgenau (und ohne zusätzliche Sanktionsfallstricke) auf Fragen von Antragstellenden Auskunft zu geben, war mir mit dem SG Berlin dereinst nicht möglich, auch wenn ich den Gerichtsprozess am 13. April 2022 selber dafür nutzen konnte, der 202. Kammer vor Publikum nochmal den Fall zu schildern.

Das SG Berlin hat sich entschieden***, trotz aller meiner Vorbringen der "Verzahnung der damals 2017 gegen mich verhängten (2.)  30% Sanktion mit späteren (temporär vollzogenen und nachträglich aberkannten) Sanktionen und anderen Vorkommnissen wie einer Strafanzeige gegen diesen Blog, die Klage abzuweisen.

Materiell war ich schon länger aus Sicht des Sozialgerichtes "nicht (mehr) beschwert", weil die sanktionierten Gelder zu viel späterem Zeitpunkt nachgezahlt wurden.**

 

Zum Prozessablauf selber ein paar Anmerkungen: Die Richterin verhielt sich höflich, schien auch darum bemüht, auf juristische Triggerworte wie "Rüge" oder "Antrag" hin meine Vorbringen oder Kritiken zu protokollieren (siehe Protokoll), hat aber aus meiner Sicht einen völlig gegenteiligen Standpunkt "Beistände" betreffend als viele andere Richter*innen am SG, am LSG und anderswo. 

Sie kehrte nämlich die "gesetzlich eingeräumte Möglichkeit", sich einen "Beistand mitzubringen für die Verhandlung" um in eine "zu begründende Ausnahmeberechtigung". Es wurden von ihr folglich keine spezifischen Gründe abgecheckt (und dann in unserem Fall ausgeschlossen), die gegen meinen konkreten Beistand sprachen, sondern sie fand "keinen Grund, der aus ihrer Sicht für einen Beistand spräche"!

Aus einem "grundsätzlich darf ich, nur wenn es irgendwie nicht passt, wird der Beistand abgelehnt" wurde ein "grundsätzlich darf NIEMAND Beistand nutzen, nur wenn es nicht anders geht, kann er ggf. von der Richterin zugelassen werden."

In meiner Erfahrung und Beobachtung wird meistens auf Antrag (im Sozialgerichtlichen) ein Beistand zugelassen, sofern keine negativen Punkte dem entgegenstehen. Die Richterin hier ging aber davon aus, grundsätzlich Beistand ablehnen zu dürfen oder gar zu müssen, Beistand nur "in Ausnahmefällen" (v.a. wenn es Pflegepersonen oder sprachliche Dolmetscher*innen sind) zuzulassen. Aus einer (mir anderswo häufig begegneten) Rechtspraxis der überwiegenden Duldung bis hin sogar zur Ermutigung, sich eines Beistandes zu bedienen, wurde bei der hiesigen Richterin "ein Ausnahmeanspruch", von ihr in meinem Fall pauschal abgelehnt wurde - sie ging sogar soweit zu behaupten, dass es allgemein so wäre, Beistände in Verhandlungen nur "für Sonderfälle" zuzulassen.

An diesem Gleichnis möchte ich Wirkung ihres Vorgehens verdeutlichen: Ich darf gemeinhin am Straßenverkehr teilnehmen, nur in negativen und begründeten Ausnahmefällen (Trunkenkeit, Randale etc.) darf jemand (einstweilen) davon ausgeschlossen werden - übertrage ich die Praxis der Richterin aber auf den Straßenverkehr, dann soll ich Gründe benennen, am Straßenverkehr überhaupt "teilnehmen zu müssen" und nur in Ausnahmefällen darf ich auf die Straße, nur in Fällen, die jemand Drittes überzeugen, dass ich unbedingt die Straße nutzen muss! Und gemeinhin würde - diesem Gleichnis folgend - angenommen, das Betreten der Straße sei nicht nötig oder stünde mir nicht zu und stünde darüberhinaus generell niemandem zu, außer Leuten mit Ausnahmegenehmigung.

Weiterhin war es ein kuriose Situation, denn während ich vor der Gerichtsgebäude mit Mitstreiter*innen meine kleine Kundgebung vorbereitete, erzählte ein Justizwachtmeister einem Prozessinteressierten, dass wir im größten Saal des Gerichtes die Verhandlung hätten (nachdem alle meine Anträge auf größeren Saal abgelehnt worden waren, muss der "überraschend frei geworden sein"). Dort passten dann auch mehr Leute rein als mir zuvor erlaubten "3 Zuschauer*innen" - wegen dieser (mit Coronamaßnahmen begründeten) Einschränkung bis zum Tage des Prozesses selbst, waren etliche Prozessinteressierte (v.a. mit weiterem Anreiseweg) dem Prozess ferngeblieben. Die spontan größere Saalkapazität wurde nun gar nicht ausgeschöpft - zumal einige Leute vor dem Gericht verblieben, um auch während der Verhandlung die Kundgebung fortzuführen. 

Kurzzeitig war im Saal auch zu hören, dass unten eine Kundgebung stattfand ;-)

Das Jobcenter war nicht vertreten! Somit war die "Verhandlung" für mich "witzlos", aka am Kern der zu besprechenden Dinge vorbei - jedoch nutzte ich die mir in dieser Instanz vermutlich letzte dafür eingeräumte "Bühne" und die zum Zuhören verpflichtete Richter*innenschaft, all das dort vorzutragen und "abzuladen", was die Sanktionsgeschichte von damals anbelangte - und bekam dafür auch Zeit ohne autoritären Abkürzungsdruck.

 

Hier nun URTEIL und PROTOKOLL der Verhandlung am 13. 04. 2022:

 

 

 







 

 

*** die Kammer, v.a. die vorsitzende Richterin, verhielt sich so, wie ich das manchmal von mir selber oder anderen kenne, wenn einem jemand etwas "aufschwatzen" will, das ich nicht haben möchte. Ein "Nein" steht dann meistens von Anfang an fest, man hört sich nur ggf. aus Höflichkeit an, was der andere sagt.


 

** Wie auch im Falle Ralph Boes und unzähligen weiteren gerichtlich (oder sogar aktivistisch) angegfochtenen Sanktionen ging folgende Taktik (für die Jobcenter) auch bei mir auf:

1) vollstrecke eine Sanktion präventiv gegen eine "nicht gehorsame" Person auf gut Glück, auch wenn sie "auf dünnem Eis" steht (und sehr willkürlich nach subjektiver Unterstellung) verhängt wurde

2) halte an der Sanktion fest, mindestens bis irgend ein Dämpfer von "oben" kommt - gib keinem Widerspruch inhaltlich statt, setze Dich gegen einstweiligen Rechtsschutz oder andere Eingaben ein, so dass die Sanktion so schnell und lange wie möglich ihren Straf- und Repressionscharakter aufrechterhält

3) erkenne erst, wenn die sich gerichtlich wehrende Person einen Durchbruch erringen könnte oder es inhaltlich zur Sache gehen könnte oder andere spätere Kurskorrekturen "von oben" (wie Urteile aus dem Bundesverfassungsgericht) spürbar sind, die Forderung an - allerdings möglichst unspektakulär, so dass: in keiner Weise dem Weltbild, den inhaltlichen Forderungen oder gar mitmenschlichen bzw. gruppendynamischen Aussprachen entsprochen wird, mit denen die sich wehrende Person von Anfang an gegen die Sanktion vorgegangen ist. Möglichst auch, ohne Erklärungen oder Erläuterungen abzugeben, wie genau es zu dem "Sinneswandel" gekommen ist (also wie und wodurch die Entscheidung "kippte", die Sanktion vom Status "indiskutabel, sie aufzulösen" in ein "sie ist niemals passiert, hier gibt's das damalige Geld ohne Zinsen, ohne Schmerzengeld, ohne minimales Ausgleichsinteresse etwaiger Folgeschäden (was bei manchen Leuten z.B. Wohnungsverlust oder schwere Gesundheitsschäden sein könnten).

Das (nach Durchleben der Sanktion) erfolgte Zurückziehen der Sanktion entbindet in den allermeisten Fällen quasi automatisch das Jobcenter von einer Aufarbeitung eigener Fehler, etwa welche Beratungen, Prüfungen, Unterstellungen jobcenterseitig voreilig, irrig, ohne echte und beständige Rechtsgrundlage "ins Blaue" tatsachenschaffend passiert. Die Dinge sind meistens "zu Lasten der Betroffenen" passiert. Nicht jedeR Betroffene hat ein "Lebenssituationswerkzeug", mit welchem er die Repressionswirkung einer Sanktion irgendwie "zu seinem Vorteil" verwursten kann, wie ich das in meinem Fall gemacht habe. Schicksalhafte Wirkungen, bei denen etwas positives sich am Ende des Tages für eine Einzelperson negativ auswirkt oder wie in meinem Fall umgekehrt, kann nicht als allgemeingültig für alle anderen Fälle vorausgesetzt werden. Schon gar nicht darf im Sinne rechtlicher Ansprüche gar eine (esoterische) Schuldumkehr gegen Betroffene, "die eine negative Belastung nicht positiv transformieren konnten", ausgesprochen werden, wie das oft lapidar gemacht wird: "ich habe es doch auch geschafft - da müssen das alle anderen auch können oder aber sie haben das Pech angezogen, sind selber verantwortlich für das, was andere ihnen antun."

Im Gegenteil! Schafft es jemand glücklicherweise, aus der Scheiße, die man auf ihn wirft, eine Stinkbombe zu bauen, die ihm nachhaltigen Schutz innerhalb des Haifischbeckens übergriffiger Verwaltungsvorgänge bietet, oder auf dem Berg Scheiße in die "unabhängigkeit" von (potentieller) Jobcenterdrangsal zu entfleuchen, ist er ggf. in der Lage, sich für sich und exemplarisch auch für andere mit bestem Einsatz seiner Kräfte zu wehren, damit andere sich ermutigt fühlen, ihr Recht sich nicht (gewohnheitsmäßig) nehmen zu lassen.

Aus diesem Grund, weil ich es grundsätzlich für korrekturbedürftig finde, dass es zu Falschberatungen, unterlassener zielführender Auskunft gegen die Interessen der Antragstellenden kommt, und weil ich die Sanktions"pädagogik" (aka Diskriminierung über den Arbeitsbegriff und Haftbarmachung Antragstellender) ablehne, mache ich in dieser Sache auch weiter.

Es steht jetzt eine sog. "Nichtzulassungsbeschwerde" an, für die ich noch einige Wochen Zeit habe.




3 Kommentare:

  1. "...grundsätzlich darf NIEMAND Beistand nutzen..."

    Hä ? Auch keinen Anwalt - nicht mal einen Pflichtverteidiger, oder so ?
    Was is´n DAS überhaupt für ein Gericht ?
    Kriegsgericht - oder was - oder wie ???

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    1. Doch, einen ANWALT (zugelassen, in Anwaltskammer...) natürlich schon! Das wäre dann ja auch ein sog. "Bevollmächtigter" - und Richter*innen sprechen und verhandeln ja bevorzugt mit solchen, versuchen auch gern mal an den Kläger*innen vorbeizuagieren, sofern ein Jurist sie vertritt.
      "Anwälte vermüllen das Verfahren" sagte mal ein Sozialgerichte-bekannter Freund früher - also v.a. so "politische Verfahren" - also wenn man wie bei mir eigentlich technisch gesehen "den Deckel zumacht", das Geld einsteckt und sich damit zufriedengibt. Mir ging es aber um die Frage nach den Formulierungsberechtigungen und das ist leidenschaftlich mein Thema - Anwälte nehme ich eher zu anderen Verfahren mit. Technische Hilfe im Sinne des "Beistandes" war mir aber von Freunden angeboten worden und die wollte ich gern in Anspruch nehmen!
      Es ist kein "Kriegsgericht" - es ist das Sozialgericht Berlin in der Invalidenstraße. Dort haben die Vorsitzenden anderer Kammern auch schon recht häufig in meinem Beisein irgendwem, dessen Prozess ich beobachtete, den mitgebrachten Beistand (aus ein oder mehr Personen) zugelassen. Ein Richter hat sogar mal eine Klägerin dazu ermuntert - wegen der "Waffengleichheit vor Gericht". "Pflichtverteidiger" gibt es im Sozialgericht nicht - denn es handelt sich um die zivile Prozessordnung - nicht um Strafrecht. In der Regel werden im Sozialgericht BEHÖRDEN beklagt - denn wenn die Ämter etwas anders entscheiden, ziehen sie das ja "ohne Gericht" mal eben einfach durch und erlassen dazu kraft ihrer Wassersuppe einen Bescheid (gegen jenen dürfen die betroffenen Bürger*innen dann ihrerseits klagen).
      Es ist hilfreich und nützlich, sich Freunde und Bekannte mitzubringen, die einen geistig-seelisch dabei stärken - nur durch das danebensitzen - dass man sein Ding als Kläger*in souverän durchzieht. Technisch ist es ferner hilfreich, jemanden dabei zu haben, der die Richterschaft hier und da in die Schranken weist, weil er sich darauf konzentrieren kann und nicht wie man als Kläger*in selber, den Kopf voll hat mit den Inhalten und weniger den Formalien des Ablaufs. Beistände, die ein wenig die Sozialgerichtsprozessabläufe kennen, können helfen, Anträge rechtzeitig in den jeweiligen dafür vorgesehenen Zeitfenstern einzubringen und kommen ggf. spontan auf gute Ideen (2 oder 3 Gehirne sind multi-tasking-fähiger als nur ein Gehirn!) oder auch wie Beisitzer in einer Prüfung helfen, wenn das Verfahren stockt. Nicht alle Richter sind da ruhig und "formalistisch aufklärungsbereit", manche sind da kratzbürstig und versuchen technisch das Verfahren schnell abzubügeln. Meine ging diesbezüglich.
      Die hiesige Vorsitzende hat jedoch die Umgangspraxis zum Thema "Beistand" komplett umgedreht - aus einem "nur in Ausnahmen zu versagenden Recht" wurde bei ihr ein "nur ausnahmsweise zu genehmigendes Zugeständnis" - wobei sie mich nicht als "bedürftig" in ihrer Auslegung des Paragraphen einstufte und ich somit den Prozess selber technisch durchziehen musste - und deswegen kam es ja auch zu vielen Unterbrechungen, in denen ich mich mit meinen Beistandsanwärtern und sonstigen Publikumsmenschen verständigte ;-) Das war auch kurz Thema zwischen der Richterin und mir ;-)

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    2. Manchmal gibt es auch Leute mit ausgesprochener "juristischer Legasthenie", die einfach jemanden als Assistenz brauchen. Anwält*innen sind nicht immer greifbar und nicht alle geeignet, Juristensprech und Juristendenke auf normaldeutsch zu übersetzen und umgekehrt.
      Zudem haben manche Leute extreme Blockaden im Kontext von Gerichtsverfahren, prüfungsangstähnlich - können nicht sortiert ihre Anliegen vorbringen, haben auch keine Hilfkommunikation für sich selber entwickelt, ihre Defizite in dem Sektor zu ihren Stärken oder als Zeitgewinn zu verwandeln. doch all das gilt nicht offiziell als Krankheit oder Behinderung, für all diese Fälle gibt es offenbar keinen Anspruch auf "Beistand" abgesehen "bevollmächtigter Anwält*innen". Ich hatte in dem Sinne Glück, gut in meinem Stoff zu stehen und mir gegen Hänger viele Notizen im Vorfeld angefertigt zu haben - und doch habe ich das eine oder andere in der Rückbeschau vergessen, hätte da noch härter nachlegen können. Meine Beistandsanwärter hätten darauf geachtet. In meinem Fall "sei's drum" aber ich kenne wirklich andere, die fühlen sich mega hilflos in so einem Kontext und die wären dann auf die Gunst der Auslegung der Richter*innen angewiesen, nur einfach um verstanden zu werden, noch nichtmal hinsichtlich des "Recht Bekommens" am Ende des Tages. Wer da unbeholfen ist, wird schnell überfahren - es gibt ja auch Studien dazu, wie selten unbedarft vor Gericht agierende Menschen ihr Recht bekommen - wer sich einen Anwalt nicht leisten kann oder keinen findet, mit dem das Thema gut läuft, der ist mies dran.
      Apropos Anwält*innen: ich erlebte mal einen Prozess Vermieter vs. Mieter - da agierten die Anwältin des Mieters total gegen ihn und die Richter schossen sich auf diese Anwältin ein. Der eingeschüchtert wirkende Mieter, der sonst klar seine Anliegen formulieren kann, wurde gar nicht richtig gehört, seine Anträge aus seinem Mund wirkten etwas hilflos. Ja, man hätte seine Aussagesatz-Fragen als Beweisanträge verstehen können, doch die Richterin machte das nicht und die Anwältin blockierte das ebenfalls. Mit der Anwältin in anderen Fällen war der Mann seiner Aussage nach gut ausgekommen... das weiß man dann immer erst hinterher... Juristen und Prozesse haben ihre eigene Logik halt...

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