Hier handelt es sich um einen Vorfall am hellichten Tag auf einem Bahnhofsvorplatz. Kein Bahnverkehr wird behindert, keine körperliche Gefahr droht irgendwem.
Der Rausschmisswille der Security gegen Wohnungslosen entlud sich über zwei Passanten und ging mit sexistischen Äußerungen einher.
Mittwoch, 28. 11. 2018 ca. 16:00 am Bahnhof Gesundbrunnen
Ausgangssituation:
Ein wohnungsloser Mann, der laut eigenen Angaben in einer Notunterkunft nächtigt, sitzt einige Zeit am überdachten Bereich eines Bahnhofes. Er hat seinen Hund in eine Decke gewickelt und ein paar (Pfand)flaschen, von denen eine noch mit einem Getränk gefüllt ist, in einer Plastiktüte bei sich, sowie einen leeren Pappbecher.
Securitys kommen gezielt auf ihn zu, sprechen ihn im Du-Ton an und zerren den Sitzenden vom Boden hoch. Die beobachtet ein älterer Herr, auf der Durchreise und versucht die Securitys an höhere Rechtsgüter und Moral zu erinnern. Diese richten nun ihre Aufmerksamkeit gegen ihn und drängen ihn zum Weitergehen, schieben ihn dabei Richtung einer Treppe, die ihr Wachterritorium vom Shoppingcenter trennt. Der ältere Mann, der nach eigenen Angaben kürzlich Knochenbrüche erlitten hatte, wie er später berichtet, hat Angst, die Treppe herabzufallen.
Der alte Mann wehrt sich lautstark gegen Geschubst werden und die Absicht, ihn des Ortes zu verweisen.
Zu der Szene kommt eine weitere Passantin, die nun Folgendes aus ihrem Erleben schildert:
"Securitys drängten einen alten Mann Richtung Treppe abwärts am Bahnhofsvorplatz Gesundbrunnen Richtung Gesundbrunnen Center. Ich erkundigte mich nach dem Hintergrund.
Von den Securitys sofort die Aussage, ich hätte mich nicht einzumischen und sie müssten nichts erklären - der alte Mann fing gerade an zu berichten, selber zivilcouragiert für einen etwas weiter
weg am Boden sitzenden Mann eingesprungen zu sein, den sie entfernen wollten. (später stellte sich heraus, dass jener Dritte obdachlos war - genau wie ich vermutet hatte).
Gegen den alten Mann war (willkürlich und unnötigerweise) das Hausrecht ausgesprochen worden - er habe deren "Maßnahmen behindert".
Sie sagten, sie dürften jederzeit das Hausrecht ausüben - auch willkürlich, weil es Privatgelände sei und nicht öffentlicher Raum, was ich ihnen entgegen hielt als Bahnfahrerin.
Und da der alte Mann sich mit mir unterhielt bzw. das versuchte, und ich die Problematik der Wohnungslosigkeit generell anlässlich der hier aufgetretenen Streitfragen in den Mittelpunkt rückte, schubste man auch mich jetzt vom Gelände. Nicht mehr Richtung Treppe runter, sondern in die andere Richtung. Mit ihren Bäuchen stießen sie uns Richtung Ende ihres Geländes.
Der alte Mann hielt sich wackeligen Ganges dabei an meiner Hand fest oder wollte mich beschützen (?), jedenfalls sagte einer der Securitys: "Du kannst ihn ja gleich mit zu Dir nach Haus nehmen und ficken."
Ich wies ihn auf den sexistischen Gehalt seiner Äußerung hin, was er aber abstritt, denn "ficken" sei ja nur eine "Reibung" und ich würde nur Gülle reden.
Unmittelbar beim Erreichen ihrer Zuständigkeitsgrenze, also außerhalb des zu bewachenden Territoriums, blieben wir stehen und diskutierten wild durcheinander über Hausrecht, die Bedeutung der von ihnen verwendeten Worte, ihre Ansichten dessen, dass "ich nicht normal sei", der alte Herr "ein Naziopa" (er sagte: "betet Ihr jetzt zu Allah?" und ähnliches um ihnen ins Gewissen zu reden - bekommt aber von mir keinen Beifall für Verknüpfungen der möglichen Religion der Securitys zu ihrem anmaßenden menschenverachtenden Auftreten - die Securitys warfen mir vor, einem alten Nazi zu helfen.)
Ich las dann einen Teil einer "Recht auf Wohnen Petition", die ich eh immer einstecken habe, vor während sich noch mehr Security sammelte- eigentlich hätten sie gehen können, denn wir waren ja außerhalb ihres Bereiches. Man drohte uns mit Polizei, insbesondere für den Fall, dass wir vor Mitternacht wieder auch nur einen Fuß auf das Gelände setzen würden. Wir könnten ja zu einer anderen Bahnstation laufen und am Gesundbrunnen vorbeifahren.
Ich sagte: "das wäre doch das geilste, was Sie heute erleben würden, wenn ich jetzt gleich mal Richtung Bahn laufe?!"
Volle Bestätigung, ich hatte ins Schwarze getroffen, denn das sah der eine Security genauso. Er lachte wie ein frecher kleiner Junge und irgendwie war da eine "ulkige Verbindung" zwischen uns da.
Er freute sich darauf wie er selbst sagte, mich dann festzuhalten und wegen Hausfriedensbruch der Polizei zu übergeben, wenn ich heute noch Richtung Bahn über den von ihm bewachten Platz laufen würde.
Ich bedauerte ihn wegen seines langweiligen Jobs. Er bedauerte mich wegen meiner vermeintlichen "Unnormalität". Es waren 4 oder 5 Securitys bei uns und den Obdachlosen, den es ursprünglich betraf, nahm keiner derzeit wahr. Ich habe ihn später zu allem befragt.
Dann entschloss sich der ältere Herr zu einem nahe bei uns parkenden Streifenwagen zu gehen und dort mit den Polizisten zu reden.
Er zeigte seine Jahreskarte und ersuchte um Hilfe, die Bahn ganz regulär wieder über den Bahnhofsvorplatz betreten zu können.
Ich unterstützte ihn und berichtete auch von den sexistischen Äußerungen der Leute und
ihrem willkürlichen Auftreten gegen Obdachlose und Passanten. Man stellte uns in Aussicht, gleich wieder die Bahn nutzen zu können und den Securitys ein paar Takte zu ihrem Umgangston zu sagen.
Ein Polizist ging mit einer ganz jungen Kollegin und einem Dritten zu den Securitys und diese mussten uns wieder auf das Bahnhofsgelände lassen.
Der alte Mann rief den Securitys zu: "ich bring Euch alle nach Moabit [Anm.: Knast]!"
Der eine Security sagte noch immer zu dem Polizisten, wir hätten
Hausverbot - darauf sagte der Polizist etwas (vielleicht, dass er uns begleiten würde und keine Gefahr drohe?) und der Security sagte: "ich lass Sie nur rauf, weil die hier da sind" oder so ähnlich und ich
machte eine Freudentanz mit nänänänänänä Kindergartengesang um den Securitys ihr eigenes Niveau abschließend zu spiegeln.
Dann gingen der alte Mann und ich in Begleitung des Polizisten Richtung Bahn. Dabei kamen wir an dem Obdachlosen vorbei, der seine Trinkflaschen ordentlich eingepackt und seinen leeren
Kaffeebecher aufgenommen hatte. Sein Hund lag eingewickelt in eine Decke bei ihm.
Er sagte, er lerne gerade Deutsch, schien polnischer Herkunft, und nun erklärte der ältere Herr dem Polizisten und mir endlich den genauen Anfang der Tatabfolge. Man hatte den am Boden Sitzenden dauernd geduzt und hochgezogen vom Boden, worauf der alte Mann im Vorbeikommen gefragt
hatte, ob die Securitys die deutschen Gesetze kennen würden und diese beachten würden, dass es unwürdig sei, wie sie unangekündigt mit ihm umgängen.
Der Obdachlose verweilte nun doch noch im Haus, er würde abends in der Notunterkunft Lehrter Straße sein. Es entstand ein Gespräch noch mit zwei weiteren Leuten, die hinzukamen. Dabei unterschrieben sie von sich aus den offenen Brief zum Grundrecht auf Wohnen.
Die Securitys kamen erneut vorbei, murmelten abfällig, dass hier wohl ein Treffen der Abgestürzten stattfände.
Inzwischen war jetzt auch der ältere Herr weg (denn es war sehr kalt und wir waren spontan sehr lange aufgehalten worden) und ich ging auch meiner Wege...
Es steht jetzt der Weg zu Strafanzeigen offen, ich habe auch die Nummern zweier Securitymänner notiert.
Im Falle einer repressiven Anzeige gegen mich wird das dann alles relevant werden.
Ich selber habe mich einstweilen gegen eine Anzeige entschieden (da ich keinen Bock auf den damit einhergehenden Stress habe), überlege mir das aber noch aus feministischer Perspektive, da eine Aufforderung zum Sex mit einem anderen Passanten nicht zu den sachlichen Äußerungen des Sicherheitspersonals gehören sollte! Es werden interne Maßnahmen empfohlen, Passanten in ihrer Würde zu achten und zu schützen und deren couragierte Erinnerungen an menschliche Grundrechte reflektierend in ihre Arbeit einzubeziehen.
Fazit: Dass erst die Polizei kommen muss, um die Security in die Schranken zu weisen, ist traurig.
Dass Obdachlose von gelangweilten Sicherheitspersonal (ich würde die jetzt gern Hausrechts-Definitionsmacht-Fetischisten nennen, lasse das aber) von einem nicht rein "privaten" Ort, sondern einem öffentlich zugänglichen, infrastrukturell für die Öffentlichkeit vorgesehenen (="ÖPNV"!!!), nicht abgesperrten Bereich, an dem sich Geschäftliches abspielt und auch viele Läden sind, in abfälliger Weise entledigt werden sollen, rüge ich zutiefst.
Die Rechtsgüter, die der Obdachlose mit seinen bescheidenen Mitteln schützt, wiegen aus meiner Sicht höher als der säuberische Aufräumwille gelangweilter "Sicherheitsleute", die dermaßen Unsicherheit verbreiten, dass Passanten und zahlende Bahnfahrer sich nicht wohl fühlen. Werden Wohnungslose diskriminiert, empfinden das auch Beobachtende erschreckend und verunsichernd, schauen manche Menschen nicht weg - die Bahn sollte sich einmal überlegen, wie sie in der Öffentlichkeit dastehen will, wenn doch eigentlich nach längerer Debatte die Bahnhöfe NICHT für Obdachlose verschlossen sein sollen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1106457.kaeltehilfe-u-bahnhoefe-nun-doch-fuer-obdachlose-geoeffnet.html
"
Hinweis für mögliche "rassistisch" interpretierende Lesende dieses Vorfalls: einige der Securitys sahen laut Beobachtungen/Personenbeschreibungen südländisch aus - zwei der Polizisten, die helfend eingegriffen haben, allerdings auch. Das Aussehen ist kein eindeutiges Anzeichen für die Herkunft eines Individuums oder für eine Religion - und beides ist kein zu verallgemeinernder Grund für das solidarische, pflichtbewusste, kritische oder ungebührliche Auftreten eines Individuums.
Ich bitte also von rassistischen Äußerungen gegen die von mir aus faktischen Gründen negativ eingestuften Verhaltensweise von Security-Mitarbeitern abzusehen. Gegen Interpretationen und das Vorschieben von "Hausordnungen" in solch menschenverachtender Weise kann sich übrigens auch jeder Security-Mitarbeiter jeglicher ethnischen Herkunft wehren!
Auch sind nicht alle Männer per def. sexistisch fehlgeleitet, die Äußerungen der hier beschriebenen Herrschaften waren das aber in der Tat!
Da kann man die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ja beglückwünschen, dass sie solche Männer als Sicherheitspersonal hat. Männer die sich besonders gut in Deeskalation auskennen und sich auch noch nett und freundlich ausdrücken können. Dass das BVG-Sicherheitspersonal sich einen netten Umgangston mit den Fahrgästen befleißigt, erkennt man schon daran, dass sie solche Sätze wie "Du kannst ihn ja gleich mit zu Dir nach Haus nehmen und ficken" einwandfrei und ohne erst groß nachdenken zu müssen, aufsagen können. Bekommt man so eine blumige Sprache eigentlich in der Security-Ausbildung beigebracht? Egal, denn man sieht, bei den Berliner Verkehrsbetrieben ist der Fahrgast noch König.
AntwortenLöschenZu den Obdachlosen in Deutschland:
Es gibt immer mehr Menschen, die den steigenden Mietpreisen und der Willkür der Sozialbehörde und den Jobcentern zum Opfer fallen. Wir haben 860.000 Wohnungslose in Deutschland, davon sind 52.000 Menschen obdachlos - leben also schon auf der Straße. Seit der Wiedervereinigung haben in Deutschland laut Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) etwa 300 Obdachlose den Winter nicht überlebt. Demnächst erfrieren wieder Menschen auf deutschen Straßen, aber das Weihnachtsgeschäft geht fleißig weiter, denn Weihnachten ist schon lange kein Fest der Besinnung und der Nächstenliebe mehr, sondern nur noch Konsumrausch. Die erfrorenen Obdachlosen bekommen vom Staat ein Armengrab und im nächsten Jahr geht es dann so weiter - oder es wird noch schlimmer werden mit der Armut und der Obdachlosigkeit, was eher anzunehmen ist, wenn man sich diesen ausufernden Kapitalismus anschaut.
Eine US-Studie ergab vor Kurzem, dass Obdachlose oftmals nur noch vom Bürger als Gegenstände angesehen werden, damit man das Mitleid mit Obdachlosen - das sich vielleicht noch beim Bürger einstellt - eliminieren kann. So weit ist es also schon gekommen, das arme Menschen nur noch Gegenstände sind, die man im Dreck liegen und auch sterben lassen kann. Warum bekommen Tausende Obdachlose eigentlich in Deutschland keine Lebensmittelgutscheine? - Ach ja, ich vergaß, im Armutsbericht der Bundesregierung tauchen Obdachlose ja gar nicht auf.
Auf der ganzen Welt wird die Armut immer größer, auch in Deutschland. - "Deutschland? Aber hier muss doch keiner hungern, so wie in armen Entwicklungsländern, schließlich sind unsere Mülleimer mit Essensreste gefüllt und ein Mensch der Hunger hat, wird doch in der Lage sein einer Ratte ein Wurstbrot entreißen zu können" sagen die Reichen und zählen dabei genüsslich ihr Geld.
Über 50.000 Menschen in Deutschland leben auf der Straße | heute-show vom 07.12.2018
AntwortenLöschenhttps://www.youtube.com/watch?v=0UdTNG6G_EA